Der richtige Ton

Ein Mann besaß ein Cello mit einer Saite, über die er den Bogen stundenlang führte,
die Finger immer auf derselben Stelle haltend. Seine Frau ertrug diesen Klang sieben
Monate lang, in der geduldigen Erwartung, dass der Mann entweder vor Langeweile
sterben oder das Instrument zerstören würde. Da sich jedoch weder das eine noch das
andere ereignete, sagte sie eines Abends in sehr sanftem Tone: "Ich habe bemerkt,
dass dieses wundervolle Instrument, wenn es andere spielen, vier Saiten hat,
über welche der Bogen geführt wird, und dass die Spieler ihre Finger ständig
hin und her bewegen." Der Mann hörte einen Augenblick lang auf zu spielen,
warf einen weisen Blick auf seine Frau, schüttelte das Haupt und sprach:
"Du bist ein Weib, dein Haar ist lang, dein Verstand ist kurz.
Natürlich bewegen sie ihre Finger hin und her. Sie suchen die richtige Stelle.
Ich habe sie gefunden."

Armenische Fabel
zitiert nach dem Programmheft zur Uraufführung von Awet Terterjans Oper "Das Beben" im Staatstheater München, 2003